Die Tage des offenen Lernens in der Akademie Elanorium sind vorbei. Wir sind mit dem Schiff „Midnight“ auf dem Weg nach Zakkharum, und ich habe nun Zeit, die letzten Ereignisse zu überdenken und niederzuschreiben.
Während der Reise von Tundara führte ich viele Gespräche mit Flamme über Selune, Te’Masâth und den Glauben. Schon in den ersten Gesprächen spürte ich, wie ein Teil meines Herzens, den ich lange hinter einer Mauer verborgen hatte, wieder zu schlagen begann. Mit jedem weiteren Gespräch bekam diese Mauer Risse, bis sie schließlich zusammenbrach und mir bewusst wurde, was mir die letzten Jahre gefehlt hatte. Auf die Frage, ob es möglich sei, sowohl dem Orden als auch Selune zu folgen, brachte mich Flamme zu einer Weggabelung und meinte, ich müsse mich für eine Richtung entscheiden. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, meinem Kopf die Entscheidung des Herzens näher zu bringen. Der Orden war lange Zeit der Mittelpunkt meines Lebens und hat mich gefördert und gefordert. Doch als ich ohne eigenes Zutun ausgewählt wurde, kam die Erinnerung schnell zurück, und ich erkannte, dass der Glaube sehr wichtig für mich war und ist. Daher entschied ich mich, den Scheibenkreuzorden zu verlassen.
Unsere nächste Aufgabe, einen Teil des Weltenbaumes zu beschaffen, führte uns aber zuerst noch in ein Gebirge. Wir folgten tagelang unseren Hinweisen, bis wir einen seltsamen Ort fanden, der die Heimat von knapp einem Dutzend Menschen war. Sie waren überrascht, aber freundlich. Wir erklärten ihnen unser Anliegen, und sie wollten uns unterstützen, hatten jedoch alle eine Empfindlichkeit gegen Magie. Wir suchten einen Teil des Weltenbaumes, der alles Mögliche sein konnte – ein Ast, ein Kieselstein, eine Blume – und wollten ihn magisch suchen. Ihre Empfindlichkeit stellte uns vor Herausforderungen, denn in dieser Zone war es nicht möglich, Magie oder klerikale Wunder zu wirken. Diese Menschen hatten sich hierher zurückgezogen, weil sich diese Zone ausbreitete. Wir verbrachten viele Stunden damit, ihnen die Gefahr dieser Ausbreitung zu erklären. Nach unzähligen Besprechungen erlaubten sie uns, den Grund der Zone zu erforschen und eine Lösung zu finden, um die Zone stabil zu halten.
Wir studierten alle Aufzeichnungen und Pläne und fanden heraus, dass eine Gerätschaft aus mehreren Kristallen der Grund war. Die Idee war, dieses Gerät auszuschalten, die Kristalle neu zu ordnen und dann wieder einzuschalten. Diese Pause wollten wir nutzen, um das gesuchte Teil des Weltenbaumes magisch zu suchen. Der Plan schien ungefährlich und gut durchdacht, also schalteten wir die Gerätschaft ab. Ein Dämon manifestierte sich, denn einer der Bewohner hatte einen Pakt geschlossen und sich in diese Zone geflüchtet. Wir vernichteten den Dämon, aber der Mensch, der seiner Gruppe nicht die Wahrheit gesagt hatte, wurde verbannt. Wie geplant, fanden und bargen wir das gesuchte Teil während der Pause. Danach ordneten wir die Kristalle neu und aktivierten das Gerät wieder, wodurch eine stabile Zone ohne Magie und klerikales Wirken entstand. Ich habe absichtlich keine Teilnehmer der Suche namentlich erwähnt, da wir gebeten wurden, den genauen Ort der Zone nicht bekannt zu geben.
Nachdem wir diesen Ort verlassen hatten, machten sich Flamme und ich auf den Weg in den Drachenrücken zum Scheibenkreuzorden. Ich hatte den Orden bereits schriftlich über meine Absicht informiert und wurde nur noch in den öffentlichen Bereich des Ordens vorgelassen, wo ich Matilda, einer Ordensritterin, mein Scheibenkreuz und meinen Wappenrock übergab. Meine persönlichen Gegenstände wurden mir im Gegenzug übergeben, ich verabschiedete mich und verließ die Ordensburg. Ich weiß, dass Matilda meine Entscheidung nicht verstehen kann, aber ich bin nicht böse auf sie und wünsche ihr alles Gute für ihre Zukunft.
Flamme und ich machten uns dann auf den Weg zu den Tagen des offenen Lernens in der Akademie Elanorium. Ich nutzte die Tage für viele Gespräche mit Flamme, und mit jedem Gespräch wurde mir bewusster, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Kurz vor der Akademie kehrte ich in eine Taverne ein und traf dort auf viele bekannte Gesichter, die wie wir auf dem Weg zum Elanorium waren. Es war das erste Mal, dass mich meine Freunde und Bekannten ohne Wappenrock sahen, und die meisten fanden meine Entscheidung spannend. Nur Kyra fand, ich hätte den Orden verraten, und ließ mich einfach stehen. Auch ihr nehme ich es nicht übel, sie war und ist immer ehrlich, und das schätze ich sehr an ihr und zähle sie immer noch zu meinen Freunden. Es waren auch Besucher aus Regenumsolis vor Ort, und wir fanden zwei Steckbriefe – einen für Sean Ballentin und einen für Flamme. Kurz nachdem wir in der Taverne angekommen waren, erschien durch ein Portal eine Delegation aus Zakkharum. Sie boten uns ein weiteres Teil des Weltenbaumes an und baten uns im Gegenzug um Hilfe. Ein Bereich ihres Landes war seit Wochen nicht mehr erreichbar, und auch ein Heer aus Untoten, das in Zakkharum üblich ist, kam nicht mehr zurück. Man ersuchte uns, den Vorfall zu untersuchen und versprach pro Mann 4 Gold. Sollten wir das Problem lösen können, sollte es nochmal 4 Gold als Belohnung geben. Es fanden sich schnell viele Freiwillige, und Kira und Quenya übernahmen die Verhandlungen und werden vor Ort die Führung der Gruppe übernehmen.
Der Abend verlief sonst sehr angenehm, und am nächsten Morgen brachen wir zum Elanorium auf. Ich wurde vom Kapitän Lazarus eingeladen, die Reise in einem Luftschiff, einem Spelljammer, zur Akademie zu reisen. Es war das erste Mal, dass ich auf einem solchen Luftschiff war, und ich muss gestehen, es hat wirklich Spaß gemacht. Ein Teil der Mitreisenden verließ bei der Akademie das Schiff, und der Rest flog voraus nach Zakkharum.
Ich genieße die Tage des offenen Lernens sehr, denn es ist wie früher als Kind. Man fühlt sich aufgehoben, wird umsorgt, und alles, was man tun muss, ist lernen. Es sind drei Tage der Ruhe und Erholung, auch wenn ich wieder zu einer Prüfung, der zweiten in meiner Klasse, angetreten bin und bestanden habe. Ich darf nun den Titel „Belator“ führen.
Neben den vielen wunderbaren Vorträgen und Übungen hatte ich das große Privileg, zwei besondere Stunden mit Merl und Kaleeya verbringen zu dürfen. Merl nahm sich viel Zeit und Geduld und zeigte mir, wie man Artefakte auch ohne magische Fähigkeiten erkennen kann. Kaleeya half mir bei der Suche nach meinem Seelentier. Doch wir fanden, wie ich finde, etwas viel Schöneres. Sie mischte ihre Karten und bat mich, drei zu ziehen. Meine erste Karte zeigte einen Baum, und ich sah darin natürlich unsere Hauptaufgabe. Die zweite zeigte einen Menschen, der von innen heraus leuchtete. Wir waren uns einig, dass dies zeigt, dass ich mich wohlfühle und dass sich auch meine Seele gut fühlt. Die dritte Karte zeigte einen Vollmond. Während des Gesprächs mit Kaleeya sahen wir uns die erste Karte noch einmal an, und sie machte mich auf das Haus aufmerksam, aus dem der Baum wuchs. Die Karte zeigte einen Steinrand, von dem aus man das Haus und den Baum sah. Auch diese Symbole passten sehr gut, denn ich habe die Ordensburg im Gebirge verlassen, und Kaleeya meinte, ich komme nach Hause.
Mit diesen drei Karten im Kopf und der bestandenen Prüfung reise ich nun ruhig und voller Erwartung mit Quenya und den anderen in Richtung Zakkharum.