„Der Apfelbaum“
Dies ist die Geschichte, wie aus zwei sturen und zerstrittenen Bauern Apfel-Cider- und Apfel-Whisky-Lieferanten für die Hohen wurden.
Mein Name ist Gealai mab Keylam McKennit McDubh, und mir gehört ein kleines Stück Land auf der wunderschönen dalriadischen Insel Creag Eilean. Im Süden grenzt mein Land an das Grundstück des Handelkontors von Aine McNeill McDonald, und unsere Grenze ist ein kleiner Fluss. Doch dieser Fluss teilt sich für eine kurze Strecke, um sich dann wieder zu vereinen. In der Mitte dieser Teilung entstand vor vielen, vielen Jahren eine kleine Insel, auf der der prächtigste Apfelbaum von ganz Dalriada steht, der natürlich auch die besten und saftigsten Äpfel von ganz Dalriada trägt. Bis vor zwei Jahren war alles in Ordnung, denn die Pächter des südlichen Grundstückes hatten keine Ahnung, was sie da für einen Schatz vor ihrer Türe stehen hatten (ich habe es leider auch verabsäumt es ihnen zu sagen), und so wurde vereinbart, der Baum gehöre mir. Dann, vor zwei Jahren, zogen sie leider auf Grund eines tragischen Schicksalsschlags weg, es kamen neuen Pächter, Rylan und Cathleen McCarthy McGryffud McDubh, und mit ihnen der Ärger. Denn im Gegensatz zu den alten Pächtern erkannten diese den Wert des Baumes und der Früchte. Sie stellen nämlich – wie ich jetzt weiß – wirklich guten Apfel-Cider her. Da dieser Baum genau zwischen unseren beiden Grundstücken steht, begannen sie nun einfach die Äpfel zu pflücken und zu verarbeiten. Das konnte ich natürlich nicht zulassen, denn es war doch mein Baum. Nur, die neuen Pächter ließen sich leider nicht so einfach einschüchtern, denn sie behaupteten – völlig zu Unrecht – es sei ihr Baum. Cathleen versuchte zwar immer wieder ein wenig Frieden zu stiften, aber ich konnte doch meinen Baum nicht einfach teilen. Also verbrachten wir die letzten zwei Jahre damit, einander das Leben schwer zu machen und den jeweils anderen in schlechtem Licht darzustellen. Es wurden auch mehrere Versuche unternommen, den Flusslauf leicht zu verändern, allerdings ohne Erfolg, denn der eine schüttete seine Seite des Bachbetts auf, doch der andere baute dies wieder zurück und grub die andere Seite nur noch tiefer …
Dann hörte ich von dem offenen Turnier Comragh, bei dem auch hohe Herrschaften des Clans McKennit dabei sein würden, und da witterte ich meine Chance. Alle anderen Nachbarn wollten daran nicht teilnehmen, nur ich blieb. Rylan und seine Frau richteten das Turnier aus und so wartete ich, bis viele der hohen Herrschaften bei ihm waren, und dann statte ich ihm einen Besuch ab. Er war nicht sehr erfreut, als er mich sah, und wollte mich eigentlich sofort rauswerfen, aber ich hatte als Zeichen meines guten Willens eine Flasche von meinem besten Apfel-Whisky als Gastgeschenk mitgebracht, welche er jedoch nicht annehmen wollte. Aber ob der hohen Herrschaften und der Freundlichkeit seiner Frau, wurde ich doch eingelassen und erhielt das Gastrecht. Natürlich stimmte ich zu, das Gastrecht nicht zu missbrauchen, aber schon der erste Abend war eine Genugtuung für mich, denn Rylan musste mich verköstigen und er bat mir – mehr oder weniger freiwillig – einen Schlafplatz an. Am Abend fand dann auch noch eine Verkostung seiner Apfel-Cider statt, die ich natürlich genoss, und an deren Abstimmung ich auch teilnahm. Mein Plan, absichtlich den schlechtesten Cider am höchsten zu bewerten, ließ ich dann fallen, denn sie schmeckten alle wirklich gut – was ich Rylan natürlich nicht sagte – und so bewertete ich wirklich nach dem Geschmack.
Die hohen Herrschaften witterten schon bald unsere „Freundschaft“, und so erzählte jeder von uns seine Sicht der Dinge über „seinen“ Apfelbaum, was hin und wieder zu heftigen Streitduellen zwischen Rylan und mir führte.
Am Abend fand dann auch noch die Auslosung für das Turnier am nächsten Tag statt, und wir wurden – leider – in unterschiedliche Gruppen gelost.
Das Turnier verlief ohne Zwischenfälle, und da ich mit meinen zwei Äxten doch recht gut umgehen kann, schaffte ich es in die zweite Runde. Cathleen kam beim Bogenbewerb auch in die zweite Runde, doch Rylan gelang dies nicht – worüber ich mich natürlich sehr freute. Aber es gab noch einen weiteren Bewerb, bei dem man sehr gut rechnen können musste, und ich kann zwar meine Äpfel, meinen Whisky und mein Geld zählen, aber dieses Rätsel schaffte ich nicht. Es ärgerte mich unendlich, dass es etwas gab, was er konnte und ich nicht, aber damit stand es 1:1.
Dass es zwischendurch immer wieder kleine Wortgefechte zwischen uns gab, sei hier nur der Vollständigkeit erwähnt.
Die Herrschaften bekundeten immer mehr Interesse für „unseren“ Baum und so entstand eine kleine Gruppe, darunter die Ollam Druid Sinead an Direach McKennitt, die Aire Echta Kayleigh an Ogma McConn und der Fochloch Druid Kilian McGryffud, die sich den Baum ansehen wollten. Also begleiteten wir diese Gruppe zum Baum, und jeder erzählte seine Sicht der Dinge. Kurz vor dem Aufbruch kam es wieder zu einem sehr lauten Wortgefecht, welches die ehrenwerte Ollam Druid aber harsch beendete.
Es wurden dann vor Ort verschiedene Untersuchungen durchgeführt, und ein Vorschlag war, den Baum zu fällen. Doch das war eine der wenigen Tatsachen, in denen Rylan und ich der gleichen Meinung waren – NEIN.
Dann aber hatte der Fochloch Druid Kilian eine Idee: Jedes Jahr sollten wir gemeinsam den Baum abernten; einer von uns – das wechselt jährlich – sollte zwei Stapel von Äpfeln machen, und der andere dürfte sich den „größeren“ Stapel aussuchen. Aber damit nicht genug – da der Baum auch in der Anderswelt steht, sollten wir ein Drittel unserer Produkte aus diesen Äpfeln an den Fochloch Druid Cameron an Beo McNeill McDonald liefern, der diese dann den Hohen widmen würde. Nach einer kurzen Zeit des Nachdenkens erkannten wir, dass wir damit nun offiziell Apfel-Cider- und Apfel-Whisky-Lieferanten für die Hohen wären. Damit konnten wir uns sehr schnell anfreunden und den Streit beenden. Die Vereinbarung wurde natürlich mit einem Apfel besiegelt, und der letzte Apfel der heurigen Ernte wurde sogleich an den Fochloch Druid Cameron übergeben.
Als dann am Nachmittag die Königin kam und am Abend meinen Whisky kostete und mit den Worten „Das schmeckt ja unanständig, man möchte fast obszön sagen“ bewertete, war mein Tag mit Stolz und Freude erfüllt.
Ich bin leider in der zweiten Runde des Turniers ausgeschieden, aber Cathleen erreichte beim Bogenbewerb Platz 2, was mich zu diesem Zeitpunkt wirklich sehr freute. Rylan und ich haben dann auch noch Cider und Whisky verkostet und stellten fest, der jeweils andere macht wirklich guten Stoff.